Wieso geraten immer mehr Unternehmen unter Druck?

Immer mehr Unternehmen geraten unter Druck. Ohne Paradigmenwechsel wird die Zukunft für die meisten Unternehmen eher düster werden.

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Viele Unternehmen finden sich in einer immer weiterführenden Abwärtsspirale. Häufig zeigt sich dies noch gar nicht direkt im absoluten Unternehmensergebnis. Dies wird aber meist durch drehen an der Effiziensschraube zu einem hohen Preis erkauft, denn d.h. Entlassungen, weniger Bonus, Outsourcing, Raumverdichtung, Kürzung der für Weiterentwicklung, Erhöhung des allgemeinen Drucks schlagen auf Dauer massiv auf die Stimmung und somit am Ende auch auf die Produktivität. Als Reaktion auf sinkende Produktivität und steigenden externen Druck reagieren die meisten mit noch mehr klassischen Kostenprogrammen. Ein Teufelskreislauf also.

Sieht man sich viele Branchen an, so wird seit Jahren nach DER Lösung für die Probleme gesucht. Start-Ups werden in der Hoffnung gekauft, dass diese frischen Wind in die Organisation bringen.

Es wird mit agilen Methoden expiriementiert. Am Ende bleibt die Situation aber meistens unverändert. Die Organisation ist überlastet und überhitzt immer mehr. Warum tun sich viele Unternehmen also so schwer damit, etwas grundlegendes zu veränderen?

Um dies besser zu verstehen, hilft ein Blick in die Vergangenheit.

Erbe aus Zeiten der Industrialisierung

Damals galt: Der Mensch ist eine Ressource, diese kann man messen und steuern (stimmte auch zum Teil mit Blick auf Fliessbandarbeit). Das muss man als Unternehmen auch tun, sonst will der Mensch nicht arbeiten (Menschenbild Theory X von McGreggor). Und diese Grundsätze sind heute noch sehr tief in der DNA der meisten Unternehmen verankert.

Es geht daher – wenn man so möchte – um ein systemisches Thema. Um dies zu vereinfachen, bedienen wir uns des Denkwerkzeuges kompliziert (steuer-, plan- und messbar) und komplex (nicht steuer-, plan- und messbar), das ursprünglich von Gerhard Wohland postuliert und anschliessend von Niels Pfläging weiter integriert wurde.

Alles war gut so und in Ordnung

Unsere Welt war lange Zeit verhältnismässig planbar (also kompliziert), ein Unternehmen wurde vor allem über komplizierte Mittel wie Prozesse, Anweisungen, Hierarchien geführt. Oben wurde entschieden, unten ausgeführt. Der Mensch wurde in dieses Konstrukt eingepasst wie ein Zahnrad ins Getriebe. Und Veränderung erfolgte in sehr geordneten Bahnen. Die klassische Pyramide funktionierte und ist einer der Gründe für den Wohlstand vieler Länder.

Die Dynamik nimmt zu

Mit Beginn der Digitalisierung in den 70er Jahren hat sich dies verändert. Die klassische Pyramide wurde aufgelockert, Innovation und Wettbewerb setzte Projekte voraus, die sich quer durch die ganze Organisation zogen. Die Matrix-Organisation war geboren. Im Kern blieben die Unternehmenssysteme aber erhalten – oben wird grundsätzlich entschieden, unten wird ausgeführt, wobei die Art und Weise durchaus selbst entschieden werden kann. Das Ergebnis zählt. Hier begann auch die Incentivierung von Menschen durch Bonus, Gehaltssteigerungen aber auch Statussymbolen. Und auch dies funktionierte lange Zeit recht gut.

Die Welt hat sich verändert – die Managementsysteme hinken hinterher

Heute stehen viele Unternehmen in einem Spannungsfeld. Die Märkte bewegen sich immer schneller (komplex), Wertschöpfung wird vor allem durch Co-Creation geschaffen (komplex) und immer mehr Menschen erwarten daher auch ein Umfeld, in dem sie gestalten können und nicht nur eine Ressource sind (Mensch = komplex).  Ein komplexes Umfeld trifft also nun auf ein kompliziert arbeitendes Unternehmenssystem, das immer mehr an seine Grenzen stösst.

Wären wir Menschen Maschinen und würden dazu noch mehrheitlich komplizierte, also plan- und messbare Arbeit durchführen, dann würde dies auch funktionieren. In Zeiten von Wissensarbeit ist aber genau der Umgang mit Komplexität gefordert. Für Innovation benötigt man Menschen, keine Maschinen (stand heute). Überraschungen können (noch) nicht von Maschinen gehandelt werden.

Komplexität im Aussen lässt sich nur mit Komplexität im Inneren handhaben. Unsere Organisationen müssen selbst komplexer werden, um im Spiel zu bleiben.
sinngemäss aus «Das kollegial geführte Unternehmen» von Bernd Oesterreich und Claudia Schröder

Um innerhalb des eigenen Unternehmens Komplexität zulassen zu können, ist ein radikales Umdenken nötig. Dies kann ein Umkehr der Führungsrichtung bedeuten, d.h. statt von oben nach unten wird vom Markt her geführt. Mehr Ermächtigung der Mitarbeitenden. Verteilte Führung durch verschiedene Rollen. Wechselspiel zwischen Führen und Folgen. Transparenz. Aber auch Selbstverantwortung.

Und genau hier wird es schwierig. Denn es sind die klassischen Führungskräfte, allen voran der Chef, Geschäftsführer, Inhaber und CEO, die aus ihrer Sicht dadurch zunächst etwas verlieren. Und so scheint bei sehr vielen Menschen die Angst vor dem Verlust noch deutlich grösser zu sein als der Ausblick auf den möglichen Gewinn. Psychologisch ist das auch nachvollziehbar.

Jahrelang haben wir nach einem Weg gesucht, wie eine Transformation ohne das Top-Management gelingen könnte. Wenn mutige Menschen etwas verändern würden. Klar, im gewissen Rahmen ist das alles möglich. Ab selbst die tollsten Fortschritte können von heute auf morgen über den Haufen geworfen werden, was wir selbst schon mehrfach erlebt haben.

Die Erkenntnisse aus eigenen Erfahrungen und Gesprächen mit so vielen Kollegen, die sich mit dem Thema „Neue Arbeitswelt“ beschäftigen, ist simpel:

Ein Paradigmenwechsel kann nur top-down gelingen

Denn wo die Macht liegt, wird am Ende entschieden. Und so brauchen die Menschen an der Spitze des Unternehmens genügend Motivation, für echte Veränderung. Denn das System an sich ist erst einmal selbsterhaltend, Veränderungen müssen durch systemrelevante Menschen initiiert werden.

Bernd Oesterreich („Das kollegial geführte Unternehmen“) hat nach seiner eigenen Aussage seine Ex-Firma, die oose in Hamburg, in die Selbstorganisation gezwungen. Dies hörte sich für mich zunächst befremdlich an, am Ende ist es aber nachvollziehbar. Denn er hat die Entscheidung getroffen, dies so durchzuziehen. Er hatte die Macht, also hat er entschieden.

Daher sehen wir auch sehr viel Potential bei Unternehmen im Privatbesitz, insbesondere den KMUs. Denn börsenkotierte Unternehmen haben alleine durch die Aktionäre nochmal ganz andere Herausforderungen.

Es braucht am Anfang einfach einige Pioniere, Menschen, die trotz der breiten Masse ihren eigenen Weg gehen und mutig voranschreiten. Davon gibt es schon ein paar. Je mehr Menschen eine grundlegende Veränderung einschlagen, desto schneller wird die kritische Masse erreicht, die benötigt wird, bis ein Paradigmenwechsel echte Akzeptanz erfährt. Bis dahin bleiben die Unternehmen, die anders arbeiten, meistens Exoten.

Mut entsteht meistens aus vorgängigen, persönlichen Krisen, egal ob in der Beziehung, gesundheitlich, beruflich oder auch: Was ist der Sinn meines Lebens? Haben die eigenen Strategien bisher funktioniert, klappt es irgendwann dann doch nicht mehr mit höher, weiter, schneller. Und dann ist vieles möglich.

Fazit

Wenn wir davon ausgehen, dass immer mehr Organisationen überlastet sind, heisst das in der Praxis nichts anderes, als dass die Menschen überlastet sind – auch oder insbesondere an der Spitze. Der immer weiter steigende Druck durch das Marktumfeld

Das Marktumfeld wird immer dynamischer, der Druck steigt immer weiter. Die einen Unternehmen spüren dies einfach nur schneller als andere. Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis sich mehr und mehr Unternehmen anpassen werden.

Wie diese Veränderungen aussehen könnten, werden wir in den folgenden Artikeln aufgreifen.

Herzliche Grüsse
Ralf & Andreas